Ein Blick zurück

Gezeichnete Anleitungen zum Gartenbau aus einem Merkbaltt der 1940er Jahre

Die heutigen Freizeitgärten haben in Basel eine lange Tradition, deren Ursprünge weit zurück reichen. Die Gartenparzellen erzählen auch ein Stück Basler Sozialgeschichte. Seit 1920 werden sie von der Stadtgärtnerei verwaltet.

Anbauschlacht im Kleingarten

Im Winter 1940  ist Krieg in Europa. Lebensmittel werden knapp, viele Menschen hungern - auch in der Schweiz. Der Bundesrat ruft zur Anbauschlacht im ganzen Land. In Basel lanciert der Regierungsrat im November 1940 die Kampagne "Us aigenem Bode. Basler Aktion für Mehranbau."

Per Gesetz verpflichtet die Regierung die Bevölkerung, alles zu Verfügung stehende Land "zweckentsprechend zu bebauen und dessen Produktionskraft voll auszunützen". Die vom Kanton verpachteten Kleingärten sind zu mindestens einem Drittel mit Kartoffeln zu bepflanzen.

Es bleibt nicht beim Erlass eines neuen Gesetzes. Die Regierung ermuntert die Menschen zur Gartenarbeit, verteilt kostenlos Saatgut und organisiert Vorträge übers Gärtneren. Zusätzlich verschickt die Stadtgärtnerei eine Serie von Merkblättern, damit sich die Baslerinnen und Basler "in der kommenden Notzeit " selbst helfen können.

Der eigene Anbau ist in den schwierigen Zeiten des zweiten Weltkriegs für viele Menschen in Basel eine Notwendigkeit. Sie leben in engen Verhältnissen, verdienen wenig oder haben ihre Stelle verloren. Ohne Gemüse aus dem eigenen Garten kämen sie nicht über die Runden. Davon zeugt die umfangreiche Korrespondenz, die im Archiv der Stadtgärtnerei abgelegt ist. Immer wieder entzieht die Behörde einem Pächter einen Garten mit dem Hinweis, dass man sich unproduktive Gärten nicht leisten könne, die Warteliste sei lang.

Die jüngere Geschichte

Von 1945 bis 1990

Nach den kargen Kriegsjahren verbessert sich die Versorgungslage und die Anzahl der Gartenparzellen geht zurück. Die "Staatliche Pflanzlandkommission" wird zur "Staatlichen Kommission für Familiengärten" und drückt einen grundlegenden Wandel  im Selbstverständnis aus. Es geht nicht mehr hauptsächlich um Selbtsversorgung sondern um Erholung. Rasenflächen, Ziersträucher, Blumen und eine Grillstelle gehören in fast allen Gärten dazu.

Von 1990 bis 2010

Im Rahmen der Globalisierung mit ihren Reisemöglichkeiten werden Pachtgärten weniger nachgefragt. Mehr ausländische Interessentinnen und Interessenten werden bei der Zuteilung eines Gartens berücksichtigt. Im Vordergrund stehen Erholung und Bewegung. Entsprechend werden 2009 die Parzellen in "Freizeitgärten" umgetauft

Bereits in den 1990er Jahren findet der biologische Anbau Einzug in die Gartenordnung. Pächterinnen und Pächter werden durch Kampagnen über die Gefährlichkeit von Pestiziden informiert. 1996 wird eine Positivliste für biologischen Anbau in Kleingärten eingeführt, die bis heute die zugelassenen Mittel zusammenstellt.

Seit 2010 bis heute

Im Mai 2011 nahmen die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger des Kantons den umformulierten Gegenvorschlag zur "Initiative zum Schutz von Basler Familiengartenarealen" an. Um die Vorgaben zu erfüllen, erarbeitet das BVD ein Freizeitgartengesetz. Im Stadtgebiet von Basel sollen 80% (40 ha) der Gärten erhalten bleiben und werden in Freizeitgärten umgezont. Im Kanton Basel Landschaft und in Frankreich werden weitere 42 ha dauerhaft gesichert. Im Gegenzug sollen die Areale attraktiver für alle gestaltet werden. Das Gesetz tritt 2013 in Kraft und geht 2021 in Revision, um effizientere Verwaltungsabläufe und klare Rollenzuteilungen in der Zusammenarbeit mit den Vereinen zu ermöglichen.

Im März 2018 fusioniert die Abteilung Freizeitgärten mit der Kompostberatung und richtet 2019 neu eine Gartenberatung ein. Hintergrund ist die steigende Nachfrage nach Anbauflächen für Lebensmittel.

Seit Beginn der Pandemie im März 2020 hat sich die Nachfrage nach Gärten, sowie Garten- und Kompostberatung sprunghaft verdoppelt, Kündigungen gingen zurück. Zum Jahreswechsel 2021/2022 standen 1.700 Familien auf der Warteliste und die Wartezeit beträgt ca. 2 Jahre.

Im Februar 2022 rückt der Krieg in der Ukraine den Wert von Anbauflächen schlagartig zurück ins Bewusstsein, von einer weiter steigenden Nachfrage ist auszugehen. International wird bereits der temporäre Umbau von Biotopen in Anbauflächen thematisiert.

Boschüre "Mit Herz und Hand - 100 Jahre Freizeitgärten Basel"

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